Virtuelles Projekt-Controlling ist jetzt angesagt

Michi Majer 2020 Das blaue Team

Aktuelle Trends wie die voranschreitende Digitalisierung, Änderungen in den Arbeitswelten und immer neue technologische Entwicklungen führen zu einer Beschleunigung von asynchronem, zusehend selbstverantwortlichem, autonomen Arbeiten und fördern sowohl die Virtualisierung der Zusammenarbeit in Projektteams als auch das virtuelle Projekt-Controlling.

Online Tools erzeugen isolierte To-Do-Ab-Arbeiter

Virtuelles Projekt-Controlling ist Projekt-Controlling mit nur leicht adaptierten Methoden, aber ohne physisch anwesende und räumlich sowie zeitlich verteilte Projektteammitglieder. Es stellt wie die Präsenzform eine wesentliche zyklische Projektmanagement-Aufgabe zur Aktualisierung der Projektplanung dar, im Unterschied zum inhaltlichen Abarbeiten von Projektaufgaben und auch in Abgrenzung zur kontinuierlichen Koordination von Informationen und aktuellen Problemlösungen. Dabei geht es einerseits um eine integrierte Feststellung des aktuellen Projektfortschritts, aber viel mehr um eine Infragestellung und Aktualisierung des bisher geplanten, eingeschlagenen Wegs zur Umsetzung. Und dies in Abstimmung und Einvernehmen mit den nicht physisch anwesenden Projektteammitgliedern. Das heißt, es handelt sich um ein virtuelles Review der Zielerreichungs- oder Umsetzungsplanung unter Berücksichtigung aller relevanten Stakeholder. Es geht weniger um ein in der Gegenwart verhaftetes Update als mehr um einen Stimmigkeits-Check, die (Wieder-) Herstellung einer gemeinsamen Sichtweise und ggf. um notwendige Überarbeitungen und Anpassungen: Soll-Ist-Abweichungen feststellen, Ziele hinterfragen und falls nötig adaptieren, Lücken identifizieren, Maßnahmen und Aufgaben definieren sowie die Erkenntnisse dieses Prozesses mit PAG besprechen. Somit ist das Ergebnis eines virtuellen Projekt-Controlling Workshops kein täglich oder wöchentlich erstelltes Update, das durch die Aktivitäten der PTMs oft automatisiert und asynchron gefüttert wird und tagesaktuell für alle Berechtigten abrufbar als Soll-Ist Vergleich zur Verfügung steht. Vielmehr basiert das virtuelle Projekt-Controlling, wenngleich mit digitalen Kommunikationsmitteln durchgeführt, auf einem fundierten, gemeinsam im Team reflektierten zukunftsorientierte Fortschrittsbericht auf Basis des neuesten Wissens und aktueller Projektplanung.

Virtuelles Projekt-Controlling als Sinnstiftung

Virtuelles Projekt-Controlling kann und muss für Reflexion als auch Sinnstiftung genutzt werden: Aktualisierung der Zielfokussierung soll Klarheit schaffen, damit jede/r weiß, was zu tun ist und welche Bedeutung jeder/m einzelnen für die Zielerreichung zukommt. Dabei gilt es vor allem folgende Dilemmas auszubalancieren:

  • Effizienz versus Effektivität: Viele der neueren Tools zum Projektmanagement und der virtuellen Zusammenarbeit (Google-Docs, Trello, Miro, etc.) zielen auf Effizienz, einfaches Arbeiten und Beschleunigung ab. Das Risiko hier sowie bei den gängigen online-Meeting-Tools ist die Konzentration auf das reine Abarbeiten von geplanten To-dos. Dabei kann das Big Project Picture leicht verloren gehen. Im Besonderen besteht die Gefahr auf die Effektivität zugunsten von Kosten und Effizienz zu vergessen: Sind unsere Arbeitspakete tatsächlich noch zieldienlich? Ermöglichen unsere Outputs aus aktueller Sicht immer die erwünschten Wirkungen? Und rechnet sich der Business Case überhaupt noch?
  • Kontrolle versus Vertrauen: Es liegt in der Verantwortung der Projektleitung zu überprüfen, ob die vereinbarten Aufgaben gemacht wurden und auch die Qualität stimmt. Es geht aber nicht nur ums (Ein-)Fordern, sondern auch um ein Fördern einzelner PTMs, das heißt inhaltliche oder methodische Unterstützung anzubieten. Vor allem auch um die Vertiefung oder gar den Aufbau von Vertrauen im Team. Vertrauen reduziert Komplexität und schafft einen Zusammenhalt, das wiederum ermöglicht erst ein leistungsfähiges Wir-Gefühl. Virtuelle Teams lernen sich oft gar nicht physisch kennen und bauen dadurch nur ein vages Vertrauen auf. Dieses vorläufige „Als-ob“-Vertrauen aus der Distanz gilt es im Projekt-Controlling mittels (virtueller) Teambuilding-Maßnahmen (Team-Interaktion mit anschließender Reflexion) zu vertiefen und zu bestätigen.

Gestaltungstipps

  • Zeitlich: Statt den üblichen Controlling-Intervallen von sechs bis acht Wochen empfehlen sich eher kürzere Zyklen (im drei bis vier Wochen-Rhythmus) sowie kürzere Sessions mit maximal zwei Stunden Dauer.
  • Sachlich: Aktives Rückfragen vonseiten der Projektleitung sowie auch das Rückfragen der PTMs sollen angeregt werden. Das Projektteam möglichst schon in der Vorbereitung stärker durch pointierte Statusberichte zum Ist-Zustand einbinden. In der Diskussion können regelmäßiges Paraphrasieren und Zwischenzusammenfassungen allfälligen Missverständnissen vorbeugen. 
  • Sozial: Eine regelmäßige Rollenklärung und die Stärkung von Eigenverantwortung sowie das Ansprechen und Aufarbeiten auch von schwache Konfliktsignalen, leisten einen wertvollen Beitrag für das Vertrauen und Wir-Gefühl in einer virtuellen Projektorganisation. Check-Ins zu Beginn eines Meetings sind essentielle Rituale für das schnelle Update zum Wohlbefinden und hinsichtlich Arbeitsfähigkeit des Projektteams.

Dies erfordert die Entwicklung von entsprechenden Fertigkeiten: Medienkompetenz im Umgang mit digitalen Tools und Techniken, Methodenkompetenz hinsichtlich der Gestaltung von Arbeits- und Reflexionsprozessen sowie ein Führungsverständnis, das auf Einbindung, Vorbildwirkung und Empowerment setzt.

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